SCHNEE VON GESTERN

Fachbereich Theater / Darstellendes Spiel

Der Workshop Schnee von gestern untersucht anhand des Märchens Schneewittchen diskriminierende Erzählstrukturen und stereotype Figurenzeichnungen. Er eröffnet eine gemeinsame Suche nach neuen, diversitätsbewussten Erzählweisen, die Raum für vielfältige Perspektiven schaffen und diskrimierungskritisches Verständnis fördern.

Stundenverlaufs Template

Zielgruppe

Etwaige Dauer

Material

Fachlicher Fokus

Diskriminierungsfokus

Ab Klassenstufe 10

Etwa 180 Min

Arbeitsblätter, Kostüme, Tape und Moderationskarten

Figurenarbeit

Stereotype (Sexismus und Klassismus)

Einstieg - Signal Chaos

Vorbereitung

Auf dem Boden werden drei Spielfelder abgeklebt und mit A, B und C markiert. Jeder Buchstabe repräsentiert eine mögliche Antwort auf eine Frage, die mit der Handlung zusammenhängt.

Material: AB Storytelling

Ablauf

Raumlauf mit verschiedenen Geschwindigkeiten

Die Gruppe geht aufmerksam und mit dem peripheren Blick durch den Raum. Die Spielleitung variiert das Tempo der Gruppe, beispielsweise durch Skalen.

Einführung von Anweisungen

Die Gruppe geht durch den Raum. Die Spielleitung gibt nun kurze Anweisungen: Die Gruppe reagiert gleichzeitig und präzise auf die Signale.

Start = Laufen
Stop = Stehen bleiben
Sprung = Springen
Clap = in die Hände klatschen

Bedeutung der Signale umkehren

Nun bedeuten die Signale nicht das, was sie aussagen, sondern in gewisser Weise, das Gegenteil. Also:

Start = Stehen beiden
Stop = Laufe
Sprung = in die Hände klatschen
Clap = Springen

Die Spielleitung erhöht das Tempo, variiert die Reihenfolge der Anweisungen und spielt mit der Verwirrung.

Das Märchen in Erinnerung rufen | 1 – 2 – 3 Storytelling

Die Spielleiter*in erzählt nun die Geschichte in kurzer Fassung nach (siehe Anhang: 1-2-3 Storytelling). An wichtigen Stellen in der Handlung stellt die Spielleitung eine Frage und gibt drei Antwortmöglichkeiten. Die

Schüler:innen positionieren sich in eines der drei möglichen Felder. Nach einem kurzen Freeze für alle, verkündet die Spielleiter*in die ‚richtige‘ Antwort – im Sinne des Verlaufs bei den Gebrüder Grimm.

Input - Übergang

Didaktischer Hinweis

Das Gespräch im Plenum sollte sich im Modus der Mahloquet vollziehen.

Material: Einführung zu Stereotype

Ablauf

Lächle dir eine Partnerperson an und gehe mit ihr Seit an Seit spazieren. Sprecht bei diesem Spaziergang über die Frage: Was irritiert dich an dem Märchen Schneewittchen, wie wir es uns gerade wieder in Erinnerung gerufen haben – oder wie du es auch aus der Fassung der Gebrüder Grimm kennst? Bringt interessante Punkte aus eurem Gespräch zurück ins Plenum.

Die Punkte aus den unterschiedlichen 2er-Spaziergängen werden gesammelt und gleichberechtigt nebeneinander notiert.

Nach dem Sammeln der Irritationsmomente geht es grundsätzlich darum, zu erkennen, dass Stereotypen immer etwas über die Personen aussagt, die diese zeichnet, sowie über die Machtlinien einer bestimmten Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit. Jemand aus der Gruppe stellt die Parameter von Stereotypen vor Es geht darum die widersprüchlichen Dynamiken, die sich um Stereotypen bewegen nachzuvollziehen: Einerseits sind sie Konstrukte, die aus den Vereinfachungen des menschlichen Denkens entstehen: Es ordnet Gleiches und

Verschiedenes manchmal in Sekundenbruchteilen. Andererseits werden sie in machtvollen gesellschaftlichen Prozessen als Manipulations-Instrument bewusst bedient und verstärkt – als Beispiel seien stereotype mediale Zuschreibung genannt, die wiederholt Ansprechen, dass Gewalt von migrierten Menschen ausgehe. Racial Profiling – also das Muster der Kontrolle von jungen Männern of Colour, beispielsweise durch die Bundespolizei auf länderübergreifenden Zugfahrten.

Stationsarbeit

Didaktischer Hinweis

Die Ergebnisse sollten im Gesprächsmodus der Mahloquet besprochen werden.

Material:

Station 1 – Besetzung
Station 2 – Weiße Flecken
Station 3 –Neue Figuren

Ablauf

Nun gilt es praktisch das Schneewittchen Märchen und Vorgänge der Besetzung auf implizit gesetzte und wirksame Normen zu befragen. In drei aufeinander folgenden Stationen beschäftigen sich die Spieler*innen mit der Besetzung von Figuren, der stereotypischen Figurenzeichnung und mit ungesehenen, nicht-repräsentierten Figuren. Sie erfassen Stereotypen, bearbeiten die Grimmsche Vorlage mit der eigenen Imagination weiter und hinterfragen starre Rollenbilder und nicht-repräsentierte Personen und Vorgänge. Sie sind dazu aufgefordert, sich mit Automatismen und Routinen auseinanderzusetzen: Welche Rollenbilder werden reproduziert, Welche Figuren werden gezeigt und wie wird häufig besetzt?

Die Stationsarbeit:

Die Gruppe wird in drei Kleingruppen aufgeteilt, welche nach und nach die Stationen 1–3 bearbeiten und ihre Ergebnisse jeweils schriftlich sichern. Die Ergebnisse der Gruppen werden von Station zu Station mitgenommen.

Auswertung:

Abschließend werden sich die Ergebnisse stationsweise vorgestellt.

Warm Up

Didaktischer Hinweis

Extra Challenge:
Gemeinsames „Ha“. Als gemeinsame Bewegung kann ein „Ha“ verbunden mit einem kleinen Sprung von der Spielleiterin eingeführt werden. Bewegung: Du stehst bereiter als hüftbreit gehst langsam ins Plié – also tief mit dem Becken. Arme ausbreiten. Mit einem kleinen Hüpfer und einem „Ha“ kommst du in die Endposition. Ziel: Alle im Kreis machen Bewegung und Sprung/Ha synchron.

Hinweis:
Medusa ist eine Figur der griechischen Mythologie. Sie war ursprünglich eine sehr schöne Frau. Sie wurde von Athene in einem ihrer Tempel beim Liebesspiel mit Poseidon entdeckt. Diese war so erzürnt, dass sie Medusa in ein Ungeheuer verwandelte mit Schlangenhaaren und Schweinshauern einem Schuppenpanzer und glühenden Augen. Jeder der sie erblickte erstarrte zu Stein, so schlimm war es, sie anzusehen.

Hinweis:
Dieses Spiel kann auch als Raute (4-Eck) oder als 5-Eck durchgeführt werden – diese beiden Formen erfordern jedoch mehr Konzentration in den Übergängen der führenden Personen.

Ablauf

Drei Bewegungen im Kreis

Im Kreis, stehend – ein Konzentrationsspiel. Die Spielerinnen verabreden drei Bewegungen mit drei unterschiedlichen Körperpartien. Diese werden zunächst erprobt. Es sollen einfache Bewegungen sein, die sich als Loop durchführen lassen – also von neutralem Stand in Bewegung und zurück in den neutralen Stand bringen. Im Anschluss werden diese Bewegungen ohne Absprache oder Zeichen so aneinander gefügt, dass von außen nicht erkennbar ist, wer den Bewegungsimpuls gegeben hat. Um dies zu erreichen, nutzen die Spieler*innen den

peripheren Blick – sie bekommen alles mit. Die Gruppe bewegt sich langsam und alle folgen den Impulsen in der Gruppe. Es kann passieren das zwei unterschiedliche Bewegungs-Impulse gleichzeitig starten. Hier können unterschiedliche Regeln gesetzt werden:

  • Die Gruppe entscheidet sich rasch aber ohne Hektik im Tun für einen Impuls.
  • Beide Impulse werden gleichwertig durchgeführt. Und zwar zu 100% – ohne korrigieren.

Das Spiel kann solange gespielt werden, bis kein neuer Impuls mehr aus der Gruppe kommt – diese also von selbst zur Ruhe kommt.

Medusa in drei Stufen

Stufe 1: A geht vor – B folgt genau hinten dran. – A kann sich blitzartig umdrehen und B versucht sich so schnell umzudrehen, dass sie keinen Blickkontakt mit A hat. So wechseln sich A und B in der Leader-Rolle ab und achten dabei, dass der Wechsel spannend bleibt – variieren zwischen schnellen Wechseln und längeren Phasen der eigenen Führung. Bleiben präsent und überraschen sich gegenseitig.

Stufe 2: Die leitende Person kann nun einen Stopp einbauen. Dann bekommt sie von ihrem Hintermensch etwas auf den Rücken gezeichnet, was sie sofort in Bewegung übersetzt – dies noch im Stehen. Anschließend übernimmt die Führungsperson nach der Bewegung im Stehen etwas aus ihrer Mini-Bewegungsimpro in das Gehen – etwa einen Armschwung, einen Hüpfer, einen Hüftkick – was ihr gerade einfällt. Dies wird selbstverständlich von der Folgenden kopiert.

Stufe 3: Nun können sich einzelne Tänzer*innen aus ihren Paaren lösen und sich einer anderen Reihe anschließen. Alle vorherigen Regeln bestehen weiter: Drehen ohne Blickkontakt, stehen bleiben und eine Bewegung aufgemalt bekommen und ausführen – Bewegung in den Gang übernehmen

Synchrone Bewegung im Dreieck/ Diamant

Drei Spielende kommen in einem Dreieck zusammen. Sie stehen ca. 1m von einander entfernt und schauen in die gleiche Richtung. Dadurch gibt es ganz klar eine führende Person, nämlich die Person, die vor sich niemanden sieht – also diejenige, die in der Spitze des Dreiecks steht und nach vorne schaut. Sie gibt die Gangart vor, das Tempo, die Art und Weise. Die Richtung. Wenn sie nun nicht mehr weiter leitende Person sein möchte, dreht sie sich um ca. 60° dadurch wird eine neue Spieler*in zur Führung, weil nun die Blicke in eine andere Richtung, zu

einer anderen Spitze des Dreiecks gehen. Wenn sich das Dreieck sicher bewegt, können die Spieler*innen nun komplexere Bewegungen tänzerisch einfließen lassen, beispielsweise die Raumebenen wechseln.

Spielen

Ablauf

Die Spieler*innen gehen in einen Raumlauf. Im Raum verteilt finden sie eine große Anzahl von Jacken, Westen, Jackets, unterschiedlichster Farben und Beschaffenheit. Die Jacken sollten Glamour, Ernsthaftigkeit, Arbeitstauglichkeit und Crazyness ausstrahlen. Im ersten Raumlauf schauen sich die Spieler*innen die Jacken an: Welche interessieren sie besonders? Nur schauen und orientieren. Dann wählen sie eine erste Jacke, ziehen sie an – oder nehmen sie an sich und setzen

sich auf den Stuhl. Dann kommt die erste Situation (siehe S.16). Nach der Situation legen die Spieler*innen das Kostüm wieder ab und gehen in den nächsten Raumlauf – suchen sich eine neue Jacke und bekommen nach diesem Muster weitere Situationen als Aufgabe:

Situationen

Die Spieler*innen legen nach jeder Situation das Kostüm wieder ab und gehen in den nächsten Raumlauf – suchen sich eine neue Jacke und bekommen nach diesem Muster weitere Situationen als Aufgabe:

Du sitzt auf einem langen Flur, der von Kerzenlicht erhellt ist. Gehe einen Weg und setze dich auf einen neuen Stuhl. Wieviel siehst du? Wie mutig bist du? Wie ist es mit dieser Jacke durch das Halbdunkel zu tappen?

Du willst aus dem Haus. Wo wirst du gleich hingehen? Was musst du alles mitnehmen? Wie möchtest du deine Jacke tragen? Welches Wetter herrscht draußen? – Wie wirst du mit diesem Kleidungsstück da durch kommen?

Du sitzt auf einem Baumstrunk – hast dich im Wald verlaufen. Wie bist du hier hingekommen? Wie ist die Temperatur? Wie gut kennst du dich in diesem Wald aus? Was siehst du um dich? Versuch einen Weg zu finden?

Du merkst dass du dich verirrt hast? Kannst du etwas erkennen? Was könnte dir jetzt helfen?

Du sitzt in einer rustikalen kleinen Hütte. Wartest du auf jemanden? Auf wen? Wie riecht es in der Hütte? Steh mal auf uns schau dich um? – Bist du passend angezogen? Kannst du etwas ändern damit du passend angezogen bist?

Du wirst gleich zu einem rauschenden Fest gehen. Erinnere dich: Was ist der Anlass. Du wirst einen kurzen Redebeitrag zu sprechen haben. Probiere aus, wie du möglich gut rüber kommst. Schau noch mal, welches Kleidungsstück du dir heute ausgesucht hast. Kannst du auf dem Fest etwas Überraschendes damit machen? – Sodass die Gäste noch in einer Woche davon sprechen werden?

Proben

Didaktischer Hinweis

In der Probenarbeit greifen die SuS in der Regel instinktiv auf eben geprobte Prinzipien zurück. Die Spielleitung weist auch noch mal explizit darauf hin.

In unserem Fall ist im Rucksack:

Gemeinsame, synchrone Bewegungen (im Kreis), szenische Impro-Erfahrungen mit unterschiedlichen Jacken, Medea-Führen-Folgen-Prinzip und

Diamant/Dreieck als choreografisches System

Material:

AB Widerständige Praxis

Ablauf

Nun proben einzelne Gruppen jeweils an eine der widerständigen Praxen zu den Figuren: Schneewittchen, den Prinzen, die Königin oder die Zwerge. Dabei basieren sie auf der eben erprobten künstlerisch-gestalteten Praxis.

Showing

Ablauf

Showing der widerständigen Praxen

Dramaturgisches Denken

Didaktischer Hinweis

Material:

AB Dekonstruktion

Ablauf

Gestaltet das Märchen neu, sodass die Interessen, Wünsche und das Selbstverständnis einer Figur in der Handlung vertreten wird. Befreit sie von den Stereotypen und Zwängen der ursprünglichen Geschichte.